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Bundesliga in Zahlen: Vor und nach dem Corona-Restart

In der ersten Hälfte von 2020 stellt das neuartige Corona-Virus, welches die Lungenkrankheit Covid-19 auslöst, die Weltbevölkerung vor große Herausforderungen. Zur Vermeidung der Ausbreitung des Virus wurde in vielen Ländern das öffentliche Leben stark eingeschränkt, Quarantäne verhängt, Kontaktbeschränkungen eingeführt, ganze Gebiete von der Außenwelt abgeschnitten.

Für die meisten Menschen hat sich das Leben in dieser Zeit stark gewandelt. In manchen Ländern kam es massenhaft zu Entlassungen. Masken müssen getragen werden. Teile der Wirtschaft sind eingebrochen. Im öffentlichen Raum und in Büros müssen Mindestabstände eingehalten werden. Eine Berufsgruppe, die in den letzten Wochen und Monaten besonders im Fokus stand, ist jedoch ganz anders betroffen: Profifußballer. Viel wurde diskutiert über die Nichteinhaltung von Mindestabständen im Kontaktsport, über benötigte Testkapazitäten und über Signale, die mit einem Restart des Spielbetriebs gesendet würden.

Einige Clubs standen kurz vor der Insolvenz, Fußball wurde außerdem als mögliche Ablenkung und Lichtblick gesehen. So kam es, dass, unter strengen Auflagen, der Profisport mancher europäischer Fußballverbände wieder aufgenommen wurde. Die Bundesliga war die erste Profiliga, die wieder startete. Der große Unterschied zu vorher: es waren keine Fans in den Stadien erlaubt.

Die große Frage ist nun: Wie haben sich die Pause, die Bundesliga war zwischen dem 11. März und dem 16. Mai unterbrochen, und die fehlende Zuschauer auf das Spiel ausgewirkt?

Ein Viertel der Saison mit Geisterspielen

Im Folgenden vergleichen wir verschiedene Leistungsstatistiken der Bundesligaclubs vor und nach dem Corona-Restart. Die Zeit der Geisterspiele umfasst dabei 25% der gesamten Saison. Hier ermöglichen bei den Fernsehübertragungen die leeren Ränge einige interessante Einblicke in die Kommunikation auf dem Platz. Dabei gibt es besonders laute Mannschaften, die ununterbrochen untereinander kommunizieren und es gibt solche, die sich gegenseitig eher wenig Anweisungen geben. Und es gibt Werder Bremen, bei denen Ersatzspieler oder Betreuer mit Gummihämmern auf Metallkisten schlagen, um den größtmöglichen Krach zu machen [1]. Vielleicht hat es etwas gebracht: Werder schießt nach dem Restart mehr Tore und bekommt weniger Gegentreffer, siehe unten.

Der Heimvorteil geht verloren

Werfen wir aber zunächst einen Blick auf ligaweite Statistiken. Die wichtigste Erkenntnis ist: Heimteams haben keinen Vorteil mehr, im Gegenteil. Vor dem Restart haben die Heimmannschaften noch 43% der Spiele gewonnen, 22% gingen Unentschieden aus, nur 35% konnte die Auswärtsmannschaft für sich entscheiden. Mit dem Restart haben sich diese Verhältnisse umgekehrt, mittlerweile holen Auswärtsteams im Schnitt 12.5% mehr Punkte, da sie 45% der Duelle gewinnen. Nach dem Corona-Restart gingen 23% der Spiele Unentschieden aus, 32% der Spiele gingen an die Heimmannschaft.
Auffallend ist nun, dass sowohl die Heimmannschaft als auch die Auswärtsmannschaft in der Zahl der erzielten Tore betroffen ist. So schießen Auswärtsmannschaften in den vergangenen Geisterspielen mehr Tore und Heimmannschaften weniger.

Die Schüsse aufs Tor gehen zwar zurück, nur wird in dieser Grafik nicht zwischen Heim- und Auswärtsmannschaft unterschieden. Eine genauere Analyse zeigt, dass Heimmannschaften 16% weniger Schüsse aufs Tor des Gegners abgeben. Bei Auswärtsmannschaften ist nur ein Rückgang von 6% zu beobachten, diese liegen nun mit der Anzahl der Schüsse der Heimteams gleich. Dementsprechend scheinen Auswärtsmannschaften effizienter zu agieren. Ob dies an mehr einfach zu verwertenden Großchancen liegt oder generell nur aus aussichtsreicheren Positionen abgeschlossen wird, lässt sich nicht klären. Hierfür müsste die Defensivleistung der Mannschaften betrachtet werden.

Schalke und Köln die großen Verlierer, Bremen und Hoffenheim profitieren

Der FC Schalke 04 ist der größte Verlierer nach dem Corona-Restart. Tatsächlich war die komplette Rückrunde Schalkes äußerst schlecht, jedoch waren die Spiele nach dem Restart eklatant. Gerade einmal 2 Punkte holte man aus den neun verbliebenen Spielen. Betrachten wir nun einige Statistiken und wie Schalke (und der 1. FC Köln) im Vergleich zu den anderen Bundesligisten abschnitten.

Vor der Corona-Pause belegte Schalke Tabellenplatz 6. Was Passquote, Anteil der gehaltenen Bälle und die Gegentore angeht, rangierte man im Mittelfeld der Bundesligisten. Die Chancenverwertung war nicht schlecht, jedoch konnte Schalke kaum Chancen, bzw. Schüsse aufs Tor kreieren. Man holte jedoch relativ viele Punkte, könnte also anhand dieser Zahlen als Overachiever eingestuft werden. Hier kommt wieder die schlechte Rückrunde Schalkes ins Spiel. Zwischen Winter- und Coronapause holte Schalke bereits nur 4 Punkte. Die Talfahrt begann also schon deutlich früher. Nichtsdestotrotz ist Schalkes Leistung nach dem Restart unterirdisch, in allen hier dargestellten Leistungswerten belegte man einen der letzten drei Plätze. So wurde die Passquote deutlich schlechter, was sich auf das sinkende Selbstbewusstsein der Spieler zurückführen lassen könnte. Prozentual wurden mehr gegnerische Schüsse aufs Tor reingelassen, was zu mehr Gegentoren führte. Sehr interessant ist auch der andere Aspekt des Spiels, die Offensive. So konnte Schalke, wie vor dem Restart, aus seinen begrenzten Chancen keine Tore erzielen. Das Glück blieb aus, die Kaltschnäuzigkeit ging verloren, Großchancen wurden weniger kreiert.
Auch der 1. FC Köln zeigte nach dem Restart eine deutlich schlechtere Leistung, während noch vor der Pause eine solide Saison gespielt wurde. Problematisch waren vor Allem die vielen Gegentore in den letzten 9 Spielen der Saison, die meisten unter allen Erstligamannschaften. Heraus sticht hier die 6:1-Pleite in Bremen, die sich so noch auf den Relegationsplatz retteten.

Betrachten wir Bremens Leistung vor und nach der Corona-Pause, so zeigt sich ein gänzlich anderes Bild. Hier ist eine deutliche Verbesserung in fast allen Aspekten zu erkennen. Prinzipiell hat Bremen eine sehr schlechte Saison hinter sich. Zwar wurde vor der Saison als Ziel die internationalen Plätze ausgegeben, jedoch konnte Bremen nicht annähernd die anvisierte Qualität und den Erfolg abrufen. Das Bremen mehr individuelle Qualität in den eigenen Reihen aufweist, als der Tabellenplatz vermuten lässt, ist anhand der Passquote zu erahnen. Jedoch war die Defensivleistung vor der Corona-Pause die schlechteste der Liga, weder die Abwehr noch der Torwart (vgl. Anteil der gehaltenen Schüsse aufs Tor) konnten überzeugen. Während der Corona-Pause hat sich Bremen jedoch zu einer einigermaßen soliden Bundesligamannschaft gewandelt mit einem guten Torhüter zwischen den Pfosten [2]. Natürlich muss der 6:1 Kantersieg am letzten Spieltag im Hinterkopf behalten werden, aber dieser gehört ebenso zur Saison wie jedes andere Spiel auch (bspw. die 6:1-Niederlage gegen Bayern München, der eine 5:0-Niederlage gegen Mainz folgte).
Einen ähnlichen Wandel, allerdings in anderen Tabellenregionen, durchlebte 1899 Hoffenheim. War man vor der Corona-Pause noch im Mittelfeld der Tabelle angesiedelt, so entwickelte man sich zu einem der Top 3-Teams der Bundesliga. Man schaffte noch den Sprung auf Platz 6 und spielt damit nächste Saison wieder international.

Leichter Anstieg an Foulspielen, Änderung der Anzahl der gelben Karten

Am Anfang diese Abschnittes möchte ich darauf hinweisen, das der Auslöser für die nun folgenden Beobachtungen sich nicht aus den Daten ableiten lässt. Es können lediglich verschiedene Ursachen vermutet werden. Dies schmälert jedoch nicht den Interessantheitsgrad.
Bremen fährt nach dem Restart eine deutlich härtere Linie, jedoch bleibt die Anzahl der gelben Karten auf einem gleichen, wenn auch hohen, Level. Generell lässt sich erkennen, dass bei zwei Drittel der Vereine sich sowohl die durchschnittliche Anzahl der begangenen Fouls, als auch die Anzahl der gelben Karten erhöht hat. Dies kann ganz verschiedene Ursachen haben. Möglich wäre, dass die Schiedsrichter eine andere Linie fahren. Alternativ kann die Pause zu einer härteren Gangart geführt haben. Oder die Spieler kommen durch die lange Pause häufiger mal ein bisschen zu spät und verursachen so ein Foul. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass der Anstieg durch das Fehlen der Zuschauer bedingt ist. Zum Einen sind die Spieler und deren Schmerzenslaute so besser, bzw. überhaupt zu hören, zum Anderen ist der Schiedsrichter nicht von den Reaktionen auf den Rängen beeinflusst, bzw. abgelenkt.

Galerie mit den verschiedenen Statistiken und ihren tatsächlichen Werten

In der hier eingefügten Galerie finden sich nochmal alle wichtigen Kennzahlen mit ihren tatsächlichen Durchschnittswerten vor und nach der Corona-Pause. Namentlich handelt es sich um die Anzahl der Tore, Gegentore, Punkte, Fouls, Gelbe Karten, Passquote, Schüsse aufs Tor und Anteil der gehaltenen Schüsse aufs Tor. Abgebildet werden dabei alle Bundesliga-Vereine dieser Saison.

Corona-Pause und Geisterspiele verändern die Bundesliga

Nach dem Restart ist die Bundesliga eine andere. Vom Heimvorteil ist nichts mehr zu sehen, es gibt weniger Torchancen und es wird ein ruhigerer, sicherer Fußball gespielt. Ob dies an den fehlenden Zuschauern liegt oder aber an der langen Pause, lässt sich mit dieser Auswertung nicht aufschlüsseln. Jedoch haben schon zuvor in Geisterspielen Heimmannschaften deutlich schlechter als üblich abgeschnitten [3]. Um dieser Fragestellung weiter auf den Grund zu gehen, müssten Saisonanfang und -ende miteinander verglichen werden. Dies wird in einem folgenden Artikel getan.
Technische Hintergründe können in dem entsprechenden Projekt nachgelesen werden.

‘In football, the worst blindness is only seeing the ball’ - Nelson Falcão Rodrigues

Marian Biermann
Data Scientist

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